Sonntag, 25. Dezember 2011

Please press Play on your parrot! (Keine Hängematte bei Robsinson Crusoe)

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Keine Hängematte bei Robinson Crusoe
Sitzsatz: 
„All the while I was at work, I diverted myself with talking to my parrot and teaching him to speak, and I quickly learned him to know his own name, and at last to speak it out pretty loud, ‚Poll‘, which was the first word I ever heard spoken on the island by any mouth but my own.“

Mein Sitzsenf: 
Hier sitzen wir auf dem Quasi-Ursprung aller Sitzsätze, einem der ersten Romane überhaupt. Und der steht dann ausgerechnet auf einer einsamen Insel. Jaja, weißer Strand, aber nach über 2 Jahren liegt selbst der blöd bremsend im Gemütsgetriebe von … Robinson Crusoe. Da ist nix mit gemütlich in der Hängematte chillen, dieser Sitzsatz steht am Rande des Wahnsinns und musste vom Protagonisten handgefertigt werden.

Zur Regenzeit sitzt Robinson dann nicht nur auf der Insel an sich fest, sondern ist zusätzlich in seiner Hütte gefangen. Drei Monate lang gibt er sich dann mal wieder seinem größten Fulltime-Job hin, nämlich, ein schwimmendes Objekt zu bauen. Währenddessen besteht seine einzige Gesellschaft aus einem gefiederten Aufnahmegerät: dem Papagei Poll (Poll! Das ist circa so originell, wie seinen Hund „Fifi“ oder seine Katze „Miez“ zu nennen. But then again, im 18. Jahrhundert war es vielleicht wirklich noch originell, besonders, wenn man verschollen war, und somit ohne andere Haushalte mit Käfigbewohnern namens Poll lebte … Doch dies nur am tierischen Rande der Sitzsatzinsel). Eines Tages gibt Poll also Robinsons Worte wieder, die ersten, die er auf der Insel „gesprochen“ hört, aus einem „Mund“, der nicht seiner war. Genaugenommen haben Robinsons Worte aber nichts als einen kleinen Rundwanderweg zurückgelegt: "Please press Play on your parrot Poll." Wer war zuerst da: das Wort oder der Papagei? 

Immer, wenn ich an dieser Stelle des fiktiven Tagebuchs andocke, passiert Folgendes: Mein Kopfkino-Robinson verliert seine verfilzten Zottelhaare und aus seiner ungewaschenen Haut wachsen grüne Federn; er bekommt den „Mund“, auf den er sich zuvor bezogen hat: einen orangen Schnabel. Also: JETZT! Flieg davon, Robinson, flieh, Vogel! 

Das A&O: 
Tatsächlich hat es 26 Jahre gebraucht, bis ich beim „echten“ Robinson Crusoe angekommen bin, ­– keine Kinderversion oder TV-adaptiertes Actionszenario. Ich gebe zu, dass es mich selbst überrascht hat: but it really was a good read! Und wer mal Anglistik-Hausarbeiten schreiben muss --> hier gibt’s wissenschaftlichen Analysestoff so weit der Inselhorizont reicht! 

Wo steht der Sitzsatz? 
Robinson Crusoe von Daniel Defoe (von 1719).
Meine Version: Wordsworth Classics // ISBN: 978-185326-045-2
 
Darf’s ein bisschen mehr sein? 
Diese Insel ist eine Lesereise wert. Und nur, wer sich einmal mit Robinson durch das Original geschlagen hat (egal, ob auf Deutsch oder Englisch), kann danach auch die vielen amüsanten Robinsonaden genießen und dort auf weitere einladende Sitzsätze hüpfen.

Montag, 28. November 2011

Bilderbausteine zum Bewundern (stapelbare Sitzsätze von Lily Lux)

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Stapelbare Sitzsätze von Lily Lux
Sitzsatz: 
„Lily findet, man sollte jeden Tag etwas tun, das man noch nie in seinem ganzen Leben getan hat.“

Mein Sitzsenf: 
Punkt. Sitzsätze können so einfach sein. Und so multifunktional, denn dieser ist wie ein Kiste, in die man die „ersten Tages-Male“ hineintun und übereinanderstapeln kann. Bilderbausteine zum Bewundern. 

Gestern habe ich zum ersten Mal mit Lackfarbe gemalt. Kann leider nicht mehr darüber sagen, ist ein top sectret pre- Weihnachtsprojekt. Heute habe ich meine wunderhübsche Sperrmüllanrichte mit Büchern bestückt, nach Farben sortiert. Gut, das ist jetzt nicht ganz sooo, wie es sich Lily vorgestellt hat, aber zumindest habe ich das zuvor schließlich noch nicht getan. Aus solchen – noch ein wenig ausgeschmückteren­­– Bausteinkastensätzen ließe sich glatt ein neuer, ganz eigener Blog machen. Lust auf praktizierte Lilysophie, anyone?

Das A&O: 
Während eines Ausflugs in den schönsten Buchladen auf einer gewissen deutschen Insel: gefunden, gesehen, verliebt, mitgenommen. Und das Lily Notizbuch noch gleich dazu. Lily Lux – ein Bilderbuch für Große. Und für eine wunderbare Welt.

Wo steht der Sitzsatz? 
Die wunderbare Welt der Lily Lux von Iris Luckhaus und Matthias Klesse (von 2009).
Hoffmann und Campe // ISBN: 978-3-45538053-8 
 
Darf’s ein bisschen mehr sein? 
Haben Sie “Die fabelhafte Welt der Amelie” bereits mehrmals gesehen? Oder weniger und ihr Herz war schon beim ersten Schauen glücksvoll damit? Ja: Dann könnte auch mehr von Lily Lux fabelhaft für Sie sein!

Sonntag, 20. November 2011

"It’s the clichés that cause the trouble" (Juckpulver von Jeanette Winterson)

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Sitzsatz: 
Juckpulver von Jeanette Winterson
„Love makes the world go round. Love is blind. All you need is love. Nobody ever died of a broken heart. You’ll get over it. It’ll be different when you’re married. Think of the children. Time’s a great healer. Still waiting for Mr Right? Miss Right? And maybe all the little Rights?
It’s the clichés that cause the trouble.“


Mein Sitzsenf: 
Es ist, als sei dieser Satzsitz mit Juckpulver eingerieben. All diese falschnetten Floskeln, die sich unangenehm ins Innere hineinkribbeln wie kleine Wortwanzen. Sie sind schon so tief in das gesellschaftliche Gedankengut hineingekratzt worden, dass sogar die Spatzen es von allen denkbaren Dächern pfeifen. Eine eklig penetrante Moralapostel-Melodie. 

Erleichtert lasse ich mich alsdann auf dem T-lastigen Beat des letzten Satzes niedersinken: „It’s the clichés that cause the trouble.“ Der trouble-Trommelwirbel putzt alles Vorangesagte wieder weg. No more drama in this LESE-life. Auf dem Boden dieses wahren anti-Klischee-Satzes stehen die gemütlichsten Satzsitze mit fester Überzeugung und sachtem goodfeel-Überzug.

Das A&O: 
Mit diesem Buch wurde bereits (m)eine Magistra-Arbeit geschrieben. Die Spuren dieses Tuns finden sich nicht nur außen, sondern besonders innen wieder. Ich liebe bunt markierte Bücher mit Bleistiftnotizen und Papierfetzen-Lesezeichen! :o)

Wo steht der Sitzsatz? 
Written on the Body von Jeanette Winterson (von 1992).
Meine Version: Vintage International // ISBN: 978-0679744-474-2 // 12,95 $

 
Darf’s ein bisschen mehr sein? 
Immerimmer mehr, immer mehr! To be continued …

Sonntag, 18. September 2011

Padauz, Frau Clauz! (Leselümmeln mit Hedwig Dohm)

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Sitzsatz: 
„Mein Platz war neben Fräulein Claus, die mich von Anfang an mit einer an Zärtlichkeit grenzenden Aufmerksamkeit behandelte. Sie hatte ein feines bleiches Gesicht, eine Nymphengestalt, süße Veilchenaugen, und strömte einen starken Jasmingeruch aus. Ihre Toilette war ein nicht Definierbares von Buntem, Glitzerndem, Flatterndem; man hätte dabei an einen geplatzten Regenbogen denken können.“
Mein Sitzsenf: 
Der erste Sitzsatz-Beitrag zieht gleich mal alle schier zum dahinrekelnden Leseregister. Süße Augen! Veilchen und Jasmin! Über Fräulein Claus muss man gar nicht wissen, wie alt sie ist, wie groß oder welche Haarfarbe sie hat. Solche Maßeinheiten sind was für KrimiautorInnen oder (andere) fantasielose Menschen, derer Hedwig Dohm sich nicht bedienen musste. Sie öffnet ihre Personenbeschreibung als einen vieldimensionalen Fächer, der mit jeder neu aufgeklackklackklappten Falte Schönstes entfaltet und dann zum finalen Schwung ansetzt: „einen geplatzten Regenbogen“. Hier fegt’s mich bei jedem Lesen vor Wonne fast weg. Padauz, Frau Clauz! In eben diesen Regenbogen mag ich mich somit als erste Satzsitz- Hängematte legen und auf vielenfarbenbunt Leselümmeln.

Das A&O: 
Den Roman habe ich vor einigen Jahren in einer Bibliothek ausgeliehen und ich habe mir exakt nichts behalten außer besagtem „explodierten Regenbogen“ (auch noch falsch abgespeichert damals). Für den Blog musste ich ihn einfach wieder ausgraben und auf die Nummer Eins setzen.

Wo steht der Sitzsatz? 
Schicksale einer Seele von Hedwig Dohm (1899) 
 
Darf’s ein bisschen mehr sein? 
Hewig Dohm? Unbedingt! Eine wichtige schreibende und federführende Frau! Mehr Schicksale einer Seele? Ich persönlich bin ausschließlich am Regenbogen kleben geblieben …