Sonntag, 25. November 2012

Spicken mit Shakespeare (The Winter's Tale / Das Wintermärchen)

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Es war einmal ein Semster im Anglistik-Studium, in dem ging's um die wissenschaftliche Wurst ... um des Pudels pädagogischen Kern ... um jenen "Kerl", nach dem mich immer alle fragen "Hast du dann auch Shakespeare gelesen?!" und gleichzeitig niemand mehr "Welche Shakespeare-Komeptenzen können Sie für diesen ausgeschriebenen Job vorweisen?". Jedenfalls musste damals die Lektüre her - da konnte selbst mein guter Freund, der Bücherwühltisch, nicht aushelfen. Also durchforstete ich dieses Internet nach "Gebrauchtbüchern" aus England und fand den größten Schatz meines Bücherregals. Das ist das Wintermärchen von The Winter's Tale einer englischen Schülerin. Nachdem es ihr offensichtlich als hilfreicher Spickzettel bei einer Klassenarbeit diente, landete es bei mir. 

A Tale is a tale is a tale ...

The Winter's Tale / Das Wintermärchen oder "Spicken mit Shakespeare"



Das ganze Stück ist in der Originalsprache, also klar: auf Englisch. Doch am Rand findet sich - in shakespeareschmelzendschöner Schulmädchen-Handschrift mit lila + rosa Kuli - die "Übersetzung" auf "Teenie-Englisch". Ich starte mit dem Highlight (Act Three). Hermione sagt:

Sir, you speak a language that I understand not

Mein Schulmädchen übersetzt:
you're talking crap.
Das Stück hat so seine besondere Art, Beschimpfungen euphemistisch wohlklingend zu verpacken. Nur drei Zeilen später schickt die fleißige Schülerin also erneut ihren schicken lila Stift an, Klarheit in Shakespeares Schwämereien zu schreiben:

more apparent anger / really loses his cool now


  Was wirklich geschah. Leontes antwortet Hermione:
Your actions are my dreams, You had a bastard by Polixenes
Natürlich ist noch nicht alles damit getan, die tatsächlichen Aussprüche und Ausbrüche zu entschlüsseln. Ebenso gilt es, den Spickzettel um die Botschaften zwischen den Zeilen bzw. in den "Regieanweisungen" zu erweitern. 
Im vierten Akt wird der raue Ton melodiöser :
Enter AUTOLYCUS, singing.

Meine Buch-Vorbesitzerin notiert:
autolycus is hist seen as a happy-go-lucky bloke / first since anyone has sung
Happy und lucky fühle ich mich noch heute, dass mich dieses Buch gefunden hat. Wenn mich jemand fragt, ob ich Shakespeare gelesen habe, dann erzähle ich immer sofort von diesen wunderbaren "Spickzettel"-Notizen in rosalila-Teenie-Englisch.

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Habt ihr auch schon einmal einen solchen (Spickzettel-)Buch-Glücksfang gemacht? Und: Wer hat noch Shakespeare gelesen, hm?
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Sonntag, 11. November 2012

Brief an Enid Blytons "Tomboy" Jo (Fünf Freunde / The Famous Five)

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Brief an Enid Blytons Josephine in "Fünf Freunde"

Liebe Jo,


wegen dir war ich mal eine ganze Weile in den Namen "Josephine" verknallt. Betraf nur die englische Version natürlich: "Dschohsefien" gesprochen, "Dschoh" im Spitznamen. Dabei kann der Name eigentlich gar nichts dafür, ist ja jetzt nicht soooo der Knallerklopper und steht sonst nur in weißer Schnörkelschrift auf blauen Tassen, die Oma vom Christkindlmarkt mitbringt. Hinter der britischen Buchstabenkombi und dem altbackenem Klang stand aber dein literarisches Selbst in all seiner rebellischen Kraft.

Im ersten Moment mochtest du als Duplikat des im protagonistischen 5-er Equipment schon vorhandenen Tomboy erscheinen: Mädel mit kurzen Haaren, das wegen seines Aussehens und seines Mutes für ein Junge gehalten wird (dazu kommen wir gleich noch) – klar, das ist George, die nieNIEMALS bei ihrem Taufnamen Georgina gerufen werden wollte (und sollte). Da musste deine Autorin, Enid Blyton, noch eine gehörige Portion draufsetzen, ein Gegensatz zur behüteten Profesorinnentochter schaffen. So ließ sie dich in einem Wohnwagen leben, Türme hochklettern, gegen die Jungs kämpfen und ungepflegt aussehen … wild. Kurzum: DU warst NOCH COOLER als George!

Nun erschien dieses Buch in der Fünf Freunde / Famous Five -Reihe ursprünglich in den 1950er und deine Autorin war bemüht, dein „aus der Rolle fallen“ immer wieder zu erden. Dass auf meiner Hörkassette das Wort „Wildkatze“ fiel, um dich zu charakterisieren, ging mir auch in jungen Jahren schon gegen den Strich, war es dem süßen Schmusekätzchen doch näher als dem geschmeidig gefährlichem Gepard, der du wirklich warst. Dennoch glaube ich, dass du ein heimlicher Favourite von Enid Blyton in ihrer Figurenliste warst. Ausgerechnet George lässt sie das im Kontext gesehen höchste Kompliment an dich aussprechen: „You’re as good as a boy.“ Kontext hin und Konnotation her … über Sätze wie diesen und deren Bedeutung zwischen den Zeiten und Zeilen könnte man ganze Hausarbeiten schreiben (naja, ehrlich gesagt habe ich das sogar einmal getan, war ja klar. Gender roles in Enid Blyton’s "The Famous Five"). Außerdem bist du eine der wenigen (gar einzigen?) Nebenfiguren, die gleich zweimal Einzug in die Abenteuer der Fünf Freunde halten darf. Nur zweimal – leider, finde ich noch heute.

Und weißt du, Jo, wärest du einige Jahrzehnte später auf die Kinderbuchwelt gekommen, dann  hätte ich mich auf Umwegen bestimmt immer noch in deinen Namen verknallt, du dich aber vielleicht nicht in Dick/Richard. Sondern in George.

Wenn ich mal Efeu am Haus besitze (wobei in der Reihenfolge blöderweise erst überhaupt ein Haus und dann dessen Bewuchs kommt), dann werde ich den Efeu Jo nennen. Denn nur du kannst genauso gut an Wänden hochklettern. Und auf jeden Fall besser als jede olle Wildkatze.

Dein Fan beyond The Famous Five

das A&O 

 

 

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Wie sieht's aus, erinnert ihr euch noch an Jo und wenn ja, auf welche Art? Oder hattet ihr mit den "Fünf Freunden" gar nie etwas am Abenteuer-Hut?

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